Drei Könige

Buchcover Drei Könige

Drei Königsbrüder führen Scheinkriege gegeneinander, um die eigene Bevölkerung, welche von Hungersnöten bedroht ist, hinter’s Licht zu führen und gleichzeitig zu dezimieren, so daß die nach den Kriegen geschrumpfte Bevölkerung den eigenen Herrscher weiterhin respektiert und verehrt und die Schuld an der Misere den vorgeblichen ausländischen Feinden gibt. Charaktereigenschaften der drei Königsbrüder werden beschrieben, – insbesondere der moralische Abstieg des Jüngsten, Eberhard, der durch Trunk (später durch Haschischessen und sexuelle Ausschweifungen) vom lustigen Schwerenöter zum Psychopathen wird. FSK: Ab 18

Leseprobe DREI KÖNIGE

Die Brüder

Eberhard war ein lustiger Kerl und stets zu einem Späßchen bereit.

So hatte er beispielsweise einen Berater, dessen Angewohnheit es war, sich mit der Rechten seinen langen, weißen Bart zu streichen, bevor er eine ihm gestellte Frage beantwortete.

Der übermütige Eberhard bestrich sich deshalb eines Tages seine Handfläche mit einer trockenen, grünen Farbe, rief sämtliche Berater zu sich – und als Letzten eben jenen Weißbärtigen. Diesem reichte er bei seiner Ankunft die Hand und stellte ihm gleichzeitig eine recht komplizierte Frage.

Wie es seine Angewohnheit war, strich sich der Alte auch nun ausgiebig seinen wallenden Bart und man kann sich die Freude der Anwesenden vorstellen, als der Ahnungslose mit einemmal mit leuchtend grünem Barte vor ihnen stand !

Ein anderes Mal wollte Eberhard, mit kleinem Gefolge über einen Marktplatz reitend, vor einem Bauern, welcher Eier zum Verkauf anbot, sein Pferd zügeln und Diesen beschuldigen, des Königs Hose gestohlen zu haben und selbige nun zu tragen…!

Der arme Bauer stand wie vom Donner gerührt vor seinem Herrn und wusste vor Schreck keine Erwiderung zu finden. – Auf die Aufforderung des Königs, ihm sofort seine Hose zurückzugeben, zog der Bauer geschwind sein zerschlissenes Beinkleid aus, um dieses dem Spaßvogel zitternd entgegenzuhalten…

Welch ein Gelächter sich auf dem Marktplatz erhob, da der Bauer nun mit nichts anderem bekleidet, als nur seinem langen Hemd, vor seinem Herrscher stand!

Nachdem man genug gelacht hatte, reichte der gutmütige Eberhard dem Bauern die Hose zurück und schenkte ihm noch eine Goldmünze dazu.

Nun war es auch an dem Bäuerlein, sich über des Königs Besuch auf dem Markt zu freuen und gerne hätte er wohl jeden Tag sich seines Beinkleides entledigt, um ein solches Goldstück wieder zu erhalten.

Auch stieg Eberhard gerne den Mädchen hinterher; doch war Eine allzu leicht bereit, so wollte er schnell das Interesse verlieren. – Er liebte das Umwerben, der Fraulichkeit schmeicheln und nahm auch gerne einmal eine Abfuhr in Kauf….

Groß und schlank war Eberhard. Die hellbraunen Locken fielen ihm bis auf die Schultern und er konnte mit seinem ebenmäßigen Gesicht und der lustigen Art den Mädchen schon gefallen; nicht nur als König ….

Bruder Wolf war der geborene Krieger. – Er stritt und trank gerne; liebte die Jagd und das Fischen. Drei Jahre älter als Eberhard, trug Wolf einen wilden, struppigen Bart und Niemand hätte die Beiden ihrer äußeren Erscheinung nach, für Brüder halten mögen.

Wolf war reizbar, doch nicht jähzornig. Kam es zu einem Streit, so hatte er sich schnell wieder abreagiert und blieb der Gegner fair im Kampf, so wollte Wolf Diesen sogar anerkennend loben und ihm wohl gar die Hand reichen.

Seiner Frau sowie Freunden war Wolf ein treuer Gefährte; er verabscheute Betrug und Lüge ebenso, wie Feigheit und Hinterlist.

Machte Jemand einen groben Fehler; etwa bei der Ausführung eines Befehls, so wollte der König ihm gern verzeihen, sofern der Betreffende dazu stand – und nicht versuchte, sich reinzuwaschen. Ebenso gab er eigene Fehler unumwunden zu; welcher Wesenszug in nicht geringem Maße dazu beitrug, dass Wolf beliebt war bei Ministern sowie Untertanen.

Eines Tages hatte Wolfens Gemahlin einen goldenen Ring vermisst. Einer der Minister hatte dem König zugetragen, dass ein anderer Minister den Ring gestohlen habe.

Wolf ließ sämtliche Minister an seine Tafel rufen und ihnen Wein servieren.

Nachdem Alle den ersten Schluck getrunken hatten, stellte der König die Frage nach dem vermissten Ring. –

Keiner der Anwesenden gab zu, dass er Etwas mit dem Verschwinden des Schmuckstückes zu tun habe. Wolf, den Weinbecher noch in der Rechten, wies mit dem Zeigefinger seiner Linken auf den vermeintlichen Dieb:

„Er hat den Ring gestohlen! Entkleidet ihn all seiner Würden und werft ihn hinaus !“

Der Befehl wurde unverzüglich befolgt. –

Wochen später stellte sich heraus, dass der betreffende Ring nur verlegt ward … Wolf raste vor Wut !

Wieder ließ er die Minister zusammenrufen und erläuterte den Sachverhalt. –

Dann verlangte er nach seinem Schwert. Dies wurde gebracht und die schreckensbleichen Minister mussten hilflos zusehen, wie der König mit dem Schwerte den eigenen Zeigefinger, mit welchem er auf den Unschuldigen gewiesen, abhieb !

Dem Verleumder aber ließ Wolf den Kopf abschlagen. Darauf befahl er, den zu Unrecht Bestraften zu holen und vor ihn zu bringen. – Als Jener erschien, setzte Wolf ihn wieder in Amt und Würden und erbat auf dem Knie Dessen Verzeihung….

Urs – der Bär – war zwei Jahre vor seinem Bruder Wolf geboren und somit der Älteste der Brüder. Ging man nach seinem Äußeren, so schien er ein Mann von schierer Gewalt. Dies allerdings wollte den wahren Sachverhalt keineswegs treffen.

Urs war wahrlich ein wahrer Riese von Statur; mit seiner Faust konnte er einem Gegner die Hirnschale mit einem Schlage zertrümmern, dennoch war er intelligent und im Grunde gutmütig und eine Seele von Mensch.

Er konnte essen und trinken bis zur Besinnungslosigkeit, doch war er bei einer Arbeit, so erledigte er diese bis zum Ende, ohne auf Hunger oder Durst zu achten. Nichtsdestotrotz erwartete er das Gleiche nicht von seinen Ministern oder anderen Untergebenen; verständig genug, wollte er Jenen erlauben, eine Pause einzulegen, um sich auszuruhen und zu stärken. Er selbst jedoch arbeitete unverdrossen weiter.

Behaart am ganzen Leibe, mochte er tatsächlich wirken wie ein Bär. – Er liebte es, mit bloßem Oberkörper an der Esse zu stehen und dem Hufschmied mit dem schweren Hammer zur Hand zu gehen, oder mit der großen Axt Holz zu spalten. –

Einmal ward der Hufschmied von einem besonders störrischen Pferd getreten, so dass Jener seine liebe Mühe hatte, die begonnene Arbeit zu beenden und dem Ross das letzte, noch fehlende, Eisen aufzunageln.

Urs packte das Pferd kurzerhand am Halse, warf es zu Boden und der Schmied konnte mit seiner Arbeit fortfahren….

Seiner Gemahlin war Urs ein zärtlicher Beschützer und treusorgender Ehemann, der keinerlei außerehelichen Eskapaden kannte. – Urs hatte ein offenes Ohr für die Nöte seiner Untertanen, denen er, sollte dies sich als notwendig erweisen, auch einmal die jährlichen Abgaben erlassen oder vermindern wollte.

Den Bären trug Ursen’s Reich als Wappentier – und es war verboten, ihn zu jagen oder zu treiben.

*

Dreimal im Jahr trafen sich die drei Brüder zur Feier der Gründung des jeweiligen Reiches.

Mit großem Pomp wurden die Brüder dann von ihrem Gastgeber empfangen, um sie und ihr Gefolge zu bewirten.

Bei solcher Gelegenheit – diesmal war Wolf der Gastgeber – gab es des Mittags zum Mahle, nebst anderen Köstlichkeiten, einen riesigen Fisch, welchen der Koch des Wolf nach allen Regeln der Kunst zubereitet hatte. So hatte er es verstanden, die Gräten zu entfernen,

ohne den Fisch dabei sichtbar zu verletzen. Jedermann lobte daher den Koch in Dessen Abwesenheit über den Grünen Klee.

Eberhard jedoch ließ nach Jenem schicken und setzte bei dessen Eintreffen seine strengste Miene auf.

„Was hast du uns da zubereitet“, fuhr er den Koch an, welcher den Eberhard noch nicht kannte, „sage mir, worum es sich hierbei handelt !“

Verunsichert, gab der Koch zur Antwort :

„Es ist ein Flussfisch, mein Herr. Unsere eigenen Leute haben ihn gefangen und mir zur Zubereitung für Euch übergeben.“

Eberhard runzelte die Stirn.

„Ein Fisch, sagst du ? Ein Fisch soll es sein ? Willst du uns etwa betrügen ?“

Verwirrt blickte der Ärmste in die Runde.

„Ich verstehe Euch nicht, Herr“, stammelte er dann.

„Du sollst mich gleich verstehen“, versprach Eberhard und erhob sich, „hat ein Fisch nicht Gräten in seinem Inneren ?“

„Die Gräten habe ich entfernt, Herr“, jammerte der Koch, „damit sie Euch nicht etwa im Halse steckenbleiben und Euch schaden können.“

Eberhard stemmte die Fäuste in die Seiten.

„So, die Gräten hast du also entfernt ! Was hast du damit getan ?“

Der Koch begann zu zittern.

„Ich habe sie zusammen mit dem übrigen Abfall weggeworfen, Herr.“

„Geh’ und hole mir die Gräten, bis zum letzten Stück“, donnerte Eberhard, „ich brauche sie, um mir nach dem Essen die Zähne damit zu reinigen ! Sollte mittlerweile ein Schwein sie gefressen haben, so bringe mir das Schwein. – Wage nicht, ohne die Gräten zurückzukehren !“

Damit war der Ärmste entlassen. –

Man tat sich weiter an Essen und Trinken gütlich, bis nach geraumer Zeit der Koch gemeldet wurde. Man ließ ihn herein – und er trat mit vielen Verbeugungen und Entschuldigungen vor Eberhard und wies Diesem die gereinigten Fischgräten auf einem silbernen Tablett vor.

„Hier bringe ich Euch die verlangten Gräten, Herr.“

„Bist du auch sicher, dass keine einzige der Gräten abhanden gekommen ist ? Es würde zu deinem Nachteil sein !“

„Ja Herr, ich bin sicher. Ich habe sie eigens gezählt; es fehlt bestimmt keine.“

„Das ist gut“, sagte Eberhard und lachte, „gehe zum Schatzmeister meines Bruders und lass’ dir die dreifache Menge des Gewichtes dieser Gräten in Gold ausbezahlen, denn du bist ein vorzüglicher Koch !“

Alle brachen in dröhnendes Gelächter aus – und König Wolf versicherte dem Koch, dass dies schon seine Richtigkeit habe und der Koch sich die Summe ausbezahlen lassen möge.

Mit glücklich-erstauntem Gesicht zog der Beschenkte von Hinnen und lange noch konnte er das Gelächter der Zurückgebliebenen hören.

Der nächste Besuch fand im Schloss des Urs statt – und nachdem den Begrüßungsformalitäten Genüge getan war, sandte wiederum Eberhard nach dem Leibkoch des Hausherrn.

– Erstaunt sahen sich die beiden Brüder des Eberhard an; hatte man doch noch gar nicht zur Tafel gebeten.

Der Koch erschien und Eberhard drückte ihm zwei Goldstücke in die Hand.

„Dies dafür, weil du meine Frau Schwägerin so gut zu verpflegen weißt. Sie hat an Gewicht zugenommen, seit ich sie zum letzten mal sah“, fügte er augenzwinkernd hinzu.

Urs brach in dröhnendes Gelächter aus.

„Dies Lob gebührt alleine mir – und nicht dem Koch; du hast die Goldstücke dem Falschen geschenkt !“

Die Gemahlin des Urs war Guter Hoffnung – und der Schalk hatte dies sofort erkannt.

Dennoch durfte der erfreute Koch mit seinen beiden Goldstücken von Dannen ziehen.

Ursprünglich wollte Urs die Tatsache der zu erwartenden Nachkommenschaft erst an der gemeinsamen Tafel bekanntgeben, doch hatte ihm Eberhards scharfes Auge einen Strich durch diese Rechnung gemacht und so nahmen denn er und seine Gemahlin zwar etwas verfrüht, aber dennoch erfreut, die Glückwünsche der Brüder entgegen.

Das Fest wurde wie immer ausgelassen und fröhlich begangen. – Der Hofnarr, den Ulf sich hielt, hatte – wie stets, wenn Eberhard anwesend war, einen schweren Stand; denn wer könnte wohl neben dem frischen, unverbrauchten Witz des Eberhard schon bestehen ?

Besagter Hofnarr war ein erwachsener Mann, doch von zwergenhaftem Wuchs.

Er war kein Narr im eigentlichen Sinne, sondern zeigte sich gar klug und gerissen. Seine Haut war runzlig und von dunkler, verwitterter Farbe. Fahrensleute hatten ihn dem König für teures Geld verkauft. Urs konnte sich Dessen fremdländischen Namen nicht merken – und nannte ihn kurzerhand um in ’Ulf. ́

An Eltern konnte Ulf sich nicht erinnern; seit er denken konnte, befand er sich in Händen von Fahrensleuten und Schaustellern.

Wahre Freunde hatte der Zwerg nie gekannt; er war stets nur Mittel zum Zweck gewesen. – Wie einen tanzenden Bären oder Affen hatte man ihn vorgeführt und zur Schau gestellt. –

Wurde man Seiner überdrüssig, so verkaufte man ihn oder tauschte ihn gegen eine andere Attraktion ein.

So blieb er, obwohl stets in größerer Gesellschaft, doch alleine und einsam mit sich und seinen Gedanken….

Er trainierte sein Gehirn. – Er übte sich in logischem Denken und stärkte das Vermögen seiner Erinnerung. – Zahlen lernte er zu schreiben und mit ihnen umzugehen. Danach erfuhr er die Kunst, gesprochene Worte in geschriebene Zeichen umzusetzen.

Mit der Zeit hätte er nach weltlichen Begriffen als kluger und gelehrter Mann gegolten; doch blieb er weiterhin der Zwerg, über den man sich mokierte und amüsierte. – Er schien sich in einer Welt zu befinden, in der nur Größe geachtet wurde; körperliche Größe, nicht die des Geistes….